Uraufführung des Oratoriums „Petrus“ von Manuela Nägele in der Kreuzkirche

Kirchenmusikdirektorin Manuela Nägele hat erneut zur Feder gegriffen und mit „Petrus“ ein mitreißendes abendfüllendes Oratorium geschrieben, das am vergangenen Sonntag in der gut besuchten Hedelfinger Kreuzkirche seine Uraufführung erfuhr. Nägele, Leiterin des Kreuzchors Stuttgart sowie der Kinder- und Jugendkantorei Oberer Neckar, führte das große Ensemble souverän durch den Abend und verstand es hervorragend, allen Ausführenden eine Präsenz zu entlocken, die gleichermaßen die musikalische Präzision gewährleistete und das Publikum ansprach.
Von Anfang an erlebten die Zuhörer eine überraschend vielfältige Klangwelt, die immer wieder Überraschungen bereithielt, – häufig ineinander verschmelzend, bisweilen aber auch mit eindrucksvollen instrumentalen wie vokalen solistischen Passagen. Das Orchesterensemble aus klassischen Instrumenten (Streicher, Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Trompete, Posaune), ergänzt durch Saxophon, Klavier und – mit drei Spielern sehr reich besetzter – Percussion inklusive Marimba, Glockenspiel, Pauken, großer Trommel und Drumset, überzeugte durch höchste Professionalität und sensible Interaktion mit den Singstimmen.

Der sehr aufmerksame und wache Kreuzchor mit der integrierten Jugendkantorei verstand es, sowohl emotionale Passagen wie auch extreme Erfahrungen der Geschichte wie Panik und Angst auszudrücken und die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Der Kinderchor – in Gewändern und durch entsprechende Beleuchtung wirkungsvoll inszeniert wie aus einer anderen, jenseitigen Welt – interpretierte die in die Komposition eingestreuten bekannten Luther-Choräle. Dieses betrachtende Element schuf im Kirchenraum allseits Momente des Innehaltens und – spätestens mit dem gänzlich a cappella gesungenen „Christe, du Lamm Gottes“ der 9-jährigen Dorothea Nägele – höchster emotionaler Ergriffenheit.
Neben sechs kleineren Rollen, die von Solisten aus den Reihen des Chors souverän gemeistert wurden, brillierten in den großen Solopartien Peter-Anton Ling als Petrus (Bass), Matthias Nenner als Evangelist (Bass) und Roger Gehrig als Jesus (Tenor). Alle drei Vokalsolisten überzeugten gleichermaßen durch ausdrucksstarken Gesang, textverständliche Artikulation und rhythmische Präzision, vor allem auch in schwierigen Passagen, in denen der Chor in die Rede integriert ist. Der namensgebende Protagonist Petrus, dessen spannungsreiche Geschichte bis nach Jesu Tod und Erscheinen erzählt wird, ist hier die zentrale Identifikationsfigur für die Gemeinde, an der sie sich und ihren Weg zu Gott spiegelt. Peter-Anton Ling interpretierte die Figur in der Vielfältigkeit ihrer Entwicklung auf ideale Art und Weise und fand stets den jeweils passenden Ausdruck. Matthias Nenner meisterte die große Textmenge des Evangelisten hervorragend und überzeugte darüber hinaus durch die Präzision, mit der er die Rolle ausfüllte. Die Besetzung des Evangelisten als Bass, des Jesus jedoch als Tenor überrascht: Letztere Partie ist gleichermaßen lyrisch wie strahlend angelegt und fordert dem Solisten stimmlich wie interpretatorisch großes Können ab. Dieser kompositorische Kniff, aber auch die ungewöhnlich große Rolle des Jesus macht ihn in Nägeles Oratorium zum eigentlichen Helden des Stückes – und Roger Gehrig gelang es glänzend, die Lehre Jesu in den Kirchenraum zu verkünden.

Das Stück endet in einem mitreißenden Finale, das alle Musizierenden integriert, und kam am Sonntag genau dort an, wo es hinsoll: in der gleichermaßen ergriffenen wie beschwingten Gemeinde, die die Aufführung zu Recht mit lang anhaltendem Applaus honorierte.

Thomas Stichler